10.05.2019

 

Dat du min leevsten büst

 

Ich sehe mir die grauen Wolken an, wie sie kommen und gehen. Turteltäubchen auf dem Dach gegenüber. Leise singe ich ein Lied. Das Lied, welches mir als Kind oft vorgesungen wurde. Von einer Frau, die gerne Sängerin geworden wäre. Und es hätte gut zu ihr gepasst. Aber es war nicht die richtige Zeit dafür. Nicht der richtige Ort. Vielleicht hätte sie irgendwann fortgehen sollen. Ihren Traum leben. Aber sie tat es nie. Sie lebte für ihre Söhne, ihren Mann, ihre Geschwister, ihren Hof, ihre Arbeit und für das Dorf, in dem sie wohnte. Und später dann - auch für mich.

 

Ihre Art, mich ins Bett zu bringen, ist die, die ich übernommen habe. Man muss zudecken, ich hab dich lieb sagen, das Haar streicheln und die Stirn küssen. Sie war es, die bei Gewitter und Stromausfall für mich aufstand und im Kerzenlicht mit mir Karten spielte, weil ich Angst vor Lärm und Dunkelheit hatte. Sie war es, die versucht hat, mich zu beschützen. Vor einer lieblosen Stiefmutter, gehässigen Stiefgeschwistern und einem ungerechten Vater. Sie ist mit mir an die Ostsee gefahren, zu fürchterlichen Schlagerevents und hat mich zu unzähligen Butterfahrten mitgeschleppt. Sie hat mir abends die Haare geflochten, sich mit mir alte Fotos angesehen, Gruselgeschichten erzählt und über andere Dorffrauen gelästert. Und sie hat Schokoladensuppe gekocht, die mir fürs Leben die Figur ruiniert hat.

 

Ihr habe ich zu verdanken, dass es schöne Momente in meiner Kindheit gab. Und dass es, gerade für ein Kind, wichtig ist, zu wissen, dass es jemanden gibt, der immer für einen da ist, egal was passiert. Im Idealfall fällt diese Rolle der Mutter zu. Aber es ist nicht selbstverständlich, dass Mütter so sind. Weil Mütter nur Menschen sind. Frauen, die nicht perfekt sind.

 

Es wird der achte Muttertag ohne dich sein. Du fehlst mir.

Danke, dass du für mich da warst, Oma.