Martin Rütter, live in Oldenburg

 

17.01.2019

 

Hunde, Raucher, Groupies

 

Die Show startet mit einem Video und an einer Stelle werde ich von links in die Seite geboxt und meine Freundin lacht, weil sie genau weiß, dass da auf der Leinwand bin ich. Man sieht eine Frau, die von ihrem Hund an der Leine quer über eine Wiese gezogen wird (liegend). Ja, das bin ich! Mir ist das leider nicht in einem menschenleeren Wald passiert. Auch nicht auf einer abgelegenen idyllischen Wiese. Nein, so habe ich mich und meinen Hund Schröder bei der Eröffnung einer HUNDESCHULE vorgestellt. Die Besitzerin erkannte ich sofort. Es war die Frau mit den leuchtenden Eurozeichen in den Augen.

 

Klare Situation: Ich musste hier weg. Mein Hund war anderer Meinung, mein Sohn auch. Beide wollten noch eine Bratwurst. Nach gefühlten Stunden, die mein Hund mich quer über diesen Eröffnungsparcour gezogen hatte, kam ein Herr mit Hundekeksen und stopfte Schröder voll, damit ich mich in Ruhe in die Interessentenliste eintragen konnte. Was soll ich da auch sagen: "Danke, aber ich brauche keinen Hundetrainer?" Wenn da auf dem Platz irgendjemand einen Hundetrainer gebraucht hat, dann war ich das.

 

Aber wozu braucht man eine teure Hundeschule, wenn man doch Martin Rütter hat.

 

Wochen vor dem Termin schwankte die Abfahrtszeit Richtung Oldenburg zwischen 18:30 und 16:00 Uhr. Es ist ja schließlich viel Verkehr, es wird ewig kontrolliert und viele Leute und überhaupt. Und die Schwester meiner Freundin hatte letzte Woche drei Stunden nach Oldenburg gebraucht.

 

Beginn der Show: 20:00 Uhr, Einlass: 18:30 Uhr.

Wir stehen um 17:05 Uhr vor der Eingangstür.

 

Und uns wurde klar, wenn wir hier schon wie die Groupies als fast erstes vor der Tür stehen, dann wollen wir auch in der ersten Reihe sitzen. Vor uns stehen sechs Frauen. Wir schämen uns ein wenig, denn, uns wird bewusst: Wir sind minderwertige Groupies. Uns fehlen zwei Dinge: Erstens: Wir hätten, wie die Dame, die direkt mit der Nase an der Tür steht, schon seit 15 Uhr da stehen müssen und zweitens: Wir haben keine Martin-Rütter-Halskette um. Ehrlich gesagt, ist mir in der Erinnerung verloren gegangen, ob auf dieser Kette die Hündin Emma oder der Martin persönlich abgebildet war. Von weitem und ohne Brille sehen die beiden ja auch gleich aus. Wie überhaupt Menschen und Hunde, die länger zusammen leben, irgendwann eine Ähnlichkeit aufweisen. Schröder und ich haben im Winter rosafarbene Nasen.

 

Nach anderthalb Stunden sollen nun die Türen aufgehen. Es gibt zwei. Die linke Tür ist die Groupietür und die rechte ist für die, die eine Stunde nach uns kamen. Die rechte Tür geht auf. Wir stehen vor der linken Tür. Die klemmt. Und plötzlich steht (sitzt) vor uns eine Rollstuhlfahrerin, die da auch irgendwie rein muss. Meine Freundin rennt zur rechten Tür, ich renne ihr, wie ein Hund, hinterher. Und dann schreit sie: "Lauf zurück zur linken Tür!" Ich renne wieder zurück und merke, wie mir warm wird, weil die Menschen ein bisschen schubsen. Bei der nachlässigen Taschenkontrolle ärgere ich mich, dass ich keinen Flachmann dabei habe und abgetastet werde ich auch nicht.

 

Meine Freundin und ich sind zur gleichen Zeit durch und rennen nach links zum Parkett. Ich wäre gerne gestolpert und überrannt worden, weil das jetzt lustig wäre, bin ich aber nicht. In der ersten Reihe in der Mitte sitzt die Frau mit der Kette. Wir sitzen etwas seitlich, aber egal: Hey, erste Reihe! Da wir jetzt noch anderthalb Stunden Zeit haben, vertreiben wir uns die Zeit mit Toilettengängen und Riesenschlümpfen. Dann denke ich, dass ich vielleicht eine rauchen könnte und laufe los, vorbei an dem Mädchen mit dem T-Shirt Aufdruck: "Martin, ich will einen Welpen von Dir!", um eine Dame mit rotem Halstuch, die oben in der Menge steht, zu fragen, ob es denn hier eine Raucherzone gibt. Sie sagt: "Weiß ich nicht", holt ihr Funkgerät raus, sieht dann aber 50 Meter weiter unten eine Kollegin und schreit los: "Uschi, gibt es hier einen Raucherraum?!" Alle Leute gucken, meine Freundin lacht sich kaputt und ich fühle mich wie in dieser Kondomwerbung. Uschi schreit: "Ich glaub da hinten irgendwo, aber ich geh mal gucken!" Und sie rennt los und ich sage zu der Dame neben mir: "Also, das muss doch jetzt nicht, ich kann ja auch selbst." Und sie sagt: "Ach, ich will das ja auch wissen." Ich gehe dann und suche eigenständig den Raum, weil ich mir da jetzt auch ein bisschen doof vorkomme.

 

Ich finde ihn nicht, laufe aber an einem Glücksrad vorbei. Ich sehe diese kleinen Gummibärchentüten und auch wenn ich gar kein Gummibärchenfan bin, würde ich mich gerade über eine so süße Tüte freuen und frage, ob ich drehen darf und die Frau in hellblau sagt ja. Ich drehe und gewinne einen 5-Euro-Gutschein für eine Hundeschule.

 

Ich lüge und frage: "Brauch ich nicht, darf ich vielleicht Gummibärchen haben?" Und sie sagt, dass sie auch Schokolade hätte und ich freue mich, aber dann holt sie einen Kugelschreiber aus einem versteckten Karton und flüstert: "Da steht Martin Rütter drauf." Ich nehme dann den und bekomme, nach einem wehleidigen Flehen noch einen zweiten für meine Freundin.

 

Ich gehe, ohne zu rauchen, wieder nach vorne. Nach 30 weiteren Minuten probiere ich es nochmal. Wieder stehe ich bei der Dame mit dem Tuch und sage: "Hallo! Ich hatte vorhin nach dem Raucherraum gefragt." Und sie wusste nun Bescheid. Ich folge ihren Anweisungen, gehe raus und es schneit große Flocken. Drei weitere Leute stehen dort und führen die typischen Gespräche über Diskriminierung. Ich erfahre, dass in Las Palmas eine Schachtel Zigaretten 1,20 Euro kostet.

 

Der Saal füllt sich. Es werden 2700 Menschen sein.

 

Herr Rütter rüttelt an den Menschen. Letztendlich ist der Schuld an all den Fehlern der Hunde. Das ist ja auch nichts neues, aber er bringt das halt immer lustig rüber. Ich mag Menschen, die auf eine lustige und sensible Art Fehler aufzeigen. Zwischendurch immer wieder Witze unter der Gürtellinie, da lacht mein stumpfer Nachbar, der sich später weigern wird, seiner Frau eine Cola zu holen.

 

Im Laufe des Abends wird mir klar, dass ich da inmitten von Menschen sitze, von denen viele in Kategorien aufteilen: Hundemenschen, Katzenmenschen und Mädchen mit Pferden. Wenn mich jemand fragt, wie alt mein Hund ist, sage ich: "Drei." Richtige Hundemenschen würden sagen: "Er ist drei Jahre und neun Monate." Es wird über Katzenmenschen gelästert. Dass Katzen unsensibel seien. Immer nur auf ihr eigenes Wohl bedacht. Und ich denke, meine Katze hat mich noch nie über einen Rasen gezogen. Ich habe noch nie ihren Kot in einer Tüte ´ne Stunde vor mir hergetragen. Sie hat noch nie die Jacke meiner Freundin zerfetzt. Sie ist noch nie komplett gelb vom Spazierengehen wiedergekommen. Sie bellt meine Nachbarn nicht an und nimmt auch nicht mehr als die Hälfte des Sofas ein, wenn wir gemeinsam Fernsehen gucken. Katzen sind toll. Hunde aber auch. Pferde weiß ich nicht, aber ich nehme mir vor, Reitstunden zu nehmen. Einfach um alles an Mensch zu sein.